Zur Autorin
Inge Borchert-Busche wurde nach der Flucht ihrer Familie aus Ostpreußen in einer Kleinstadt in der Nähe von Hamburg geboren.
Schon sehr früh interessierte sie sich für Malerei, Architektur und philosophisch-theologische Fragen.
Nach dem Besuch des Gymnasiums studierte sie Germanistik und Philosophie, später Psychologie und Politologie in Hamburg und Berlin.
Nach einer mehrjährigen Tätigkeit als Lehrerin in den Fächern Deutsch, Geschichte und Politische Weltkunde eröffnete sie in Berlin ein Geschäft für Kunsthandwerk aus Portugal und Spanien. Neben zahlreichen Ausstellungen widmete sie sich über viele Jahre dem Thema Volkskunst auf der Iberischen Halbinsel, verbunden mit vielen Aufenthalten in dieser Region. Insbesondere mit ihrem späteren, 1997 verstorbenen Mann, dem Arzt Dr. Ingo Busche, unternahm sie in dieser Zeit viele volkskundliche Reisen, vor allem auch durch das Landesinnere von Portugal und Spanien.
Die Geburt der gemeinsamen Kinder, Philine und Jannico, wurde zum zentralen Ereignis im Leben des Ehepaares, das sich später mit der Familie auf der Insel Föhr niederließ.
Diese Zeit des Glücks und tiefsten Empfindens thematisiert Inge Borchert-Busche in dem vorliegenden Band.
Auf Föhr eröffnete Borchert-Busche neben ihrer Tätigkeit in der Familie ein Einrichtungs-Studio mit Landhaus- und z.T. avangardistischen Designermöbeln. In wechselnden Ausstellungen gestaltete sie u.a. die folgenden Themen:
Die Glaskunst von Foscarini, Kandinsky und die Formensprache der Moderne, die Memphis-Gruppe um Ettore Sottsass und Matteo Thun, Möbel und Design, Poesie und Farbe, Bohuslav Horák und Boris Sipek, Kalligraphie und Kunst als Ausdruck meditativer Versenkung.
Getragen von Glück und Erfüllung in Beruf und Familie – und der großen Liebe zu ihren Kindern, setzt Inge Borchert-Busche, trotz aller Alltagsbelastungen, immer wieder ihre schriftstellerische Tätigkeit fort, die sich am Thema des Judentums und des Faschismus in Deutschland vor allem mit der zentralen Frage ihres Lebens auseinandersetzt: Was ist der Mensch dem Menschen?
Hierbei entsteht eine tiefe innere Versenkung in die deutsch-jüdische Geistesgeschichte, in den Ursprung des Judentums und damit in die Geschichte des Menschen und seiner Herkunft überhaupt.
Über sich selbst und ihren Standort in der Welt sagt Inge Borchert-Busche:
„Begreifen ist vor allem erst einmal Wahrnehmung und – der eigenen Wahrnehmung trauen.
Sehen, was ist und – wie etwas ist.
In der Sprache der Farben und Formen genauso wie im Geistig-Seelischen.
Wie sich Schönheit und Wahrhaftigkeit in der Harmonie von Farben, Formen und Tönen ausdrückt, wie zugleich das wunderbare Bild vom sternenübersäten Nachthimmel reinste Ästhetik, tiefstes romantisches Gefühl, zauberhafteste Poesie und doch zugleich reinste Physik und Mathematik nicht nur widerspiegelt, sondern auch i s t , so ist auch alle geistig-seelische Wahrhaftigkeit immer schön und das Innere des Menschen genauso berührend und ergreifend wie die Schönheit und Wahrheit der äußeren Bilder.
Alles Wahre, Echte, Edle ist von Reinheit, Klarheit, Schönheit und Transparenz gekennzeichnet.
Es ist für mich immer wieder aufs Neue erstaunlich und das größte Wunder, wie differenziert, vielfältig und umfassend der Mensch in seiner Wahrnehmungsfähigkeit angelegt ist, um mit dieser – sich permanent verströmenden Evidenz von Wahrheit und Schönheit in der ihn umgebenden Welt auf den vielschichtigsten Ebenen korrespondieren, ja, sie überhaupt so komplex und vielfältig wahrnehmen zu können.
Und wie alles Schöne, Echte und Reine immer auch Zuneigung und Liebe in uns entstehen läßt, so kann umgekehrt reine Liebe auch nur Schönheit und Wahrhaftigkeit erschaffen, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Aufrichtigkeit in uns erwecken.
Für mich ist es das Faszinierendste und Berührendste überhaupt, die Komplexität dieser Zusammenhänge zu entdecken, sie zu erspüren.
Dies kann nie durch eine oberflächliche Lebens- und Betrachtungs-
weise erreicht werden, sondern nur durch die ganze Hingabe ans Leben, durch die totale Öffnung zum Leben.
Anders wird man nicht sehend.
Bequemlichkeit macht oberflächlich und blind, die Trägheit des Herzens gleichgültig, stumpf und gefühllos.“
Die Welt der Inge Borchert-Busche entsteht nicht aus vorgegebenen Theorien, sondern aus der eigenen Wahrnehmung. Sie wird immer umfassender selbst entdeckt – in enger organischer Verwobenheit und Verflechtung ihres All-Tags, den sie zusammen mit ihren Kindern in der sie umgebenden Natur erlebt, und der für sie genauso alltäglich existierenden Welt des geistigen Studiums, des geistigen Dialoges und der geistig-emotionalen Reflexion.
So ist es bezeichnend, daß ihre geistige Liebe Menschen gehört, wie z.B.: einem Thomas von Aquin, einem Nikolaus von Kues, einem Meister Eckhart, einem Plotin, einer Hildegard von Bingen, einem Giordano Bruno, einem Hölderlin, Schelling und Robert Schumann, Hermann Cohen, Franz Rosenzweig, Leo Baeck, einer Edith Stein, einer Simone Weil oder einem Gershom Scholem.
Das geistige Schaffen dieser Menschen – die Ausstrahlung ihrer Persönlichkeit – erfüllt ihren Alltag genauso mit Schönheit, Liebe und Wärme – wie der Himmel und die Sterne, der Gesang der Vögel und „das plätschernde Kristall des Wassers“ im Licht der Sonne.
Erkenntnis formiert und formuliert sich ihr dabei gleichermaßen in poetisch-bildhaften wie in poetisch-abstrakten Bildern eines zeitlos lebendigen All-Tages in der Zeit, der sie umgibt, universell erfüllt, prägt und trägt und – ewig bleibt. – Endliches und ewiges Sein, in dem die Liebe als die alles hervorbringende und bewahrende Kraft der Ewigkeit erstrahlt – als Keim allen Lebens, des Lebens überhaupt, dies ist das Thema ihres Lebens, das sie durch das Erlebnis der Geburt und des Heranwachsens ihrer Kinder am fundamentalsten empfunden und begriffen hat.
„Jede Suche nach der Wahrheit ist letztlich immer eine Suche nach Gott.“
Diese Worte Edith Steins spiegeln das Empfinden und die Weltsicht Inge Borchert-Busches genauso wieder, wie die Worte von Simone Weil: „Das Schweigen Gottes zwingt uns zur inneren Stille.“
„In der Stille erklingt uns der Stillstand der Zeit und wir gewahren den Ruf der Ewigkeit. Und der Ruf der Ewigkeit ist immer der Ruf Gottes an uns, den wir nur in der inneren Stille zu hören vermögen. In der inneren Einkehr finden wir Gott. Spiegel unserer Gedanken auf der Suche nach Wahrheit, die in der Konzentration ihre größte Ausweitung erfahren.“
So sagte es Inge Borchert-Busche einmal.
Über sich selbst und ihr Leben schrieb sie: „Mein Leben war immer erfüllt bis auf den heutigen Tag von einer Sehnsucht, die mich suchen ließ. Gleichermaßen war und ist diese Sehnsucht in die Vergangenheit wie in die Zukunft gerichtet; und je älter ich werde, je mehr kehrt sie in meine Kindheit zurück, als sei dort bereits schon einmal alles vorgegeben. Als sei das Ziel des Kommenden in umgekehrter Richtung zu finden. Wie eine Heimat, die uns schon einmal geschenkt war. Denn unsere Sehnsucht ist die Erinnerung an diesen Ausgangspunkt, an die Heimat unseres Lebens.
Diese Sehnsucht ist für mich wie eine Wanderung durch die Geschichte der Menschen. Zurück zu dem Sternenhimmel Abrahams in der Weite des Landes Kanaan. Auf der Suche nach Gott.
Es ist das Spüren der klaren Nacht über der Wüste. Es ist die kühle Klarheit der Wahrheit, die sich in ihrer ganzen Größe und Schönheit in Wenigem wiederfindet, wie die ganze Gestalt und Vielfalt eines Menschen in seinem Namen wiederklingt.
Es sind wenige Worte, die sich um die Suche und das Sehnen des Menschen ranken und die immer wiederkehren, weil sie sein Leben bestimmen wie die Wahrheit, von der wir kommen und zu der wir wieder finden sollen, indem wir uns finden, um zu Gott zurückzukehren.
Es sind die Worte
von Anfang und Ende
von Leben und Tod
von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Es sind die Worte
von Liebe und Hoffnung
von warm und kalt
von Tag und Nacht
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von Licht und Schatten
von Ja und Nein
von Wahrheit
und Gerechtigkeit die in der Wahrheit wurzelt.
Von Schönheit, die sich in der Schöpfung zeigt
und die Herzen überwältigt
immer wieder von neuem
an jedem Abend, an jedem Morgen.
Eine Schönheit so strahlend und herrlich,
daß es mir das Herz zerreißt vor Schmerz
und Liebe zu dieser Schöpfung
zu diesem Leben.“